Villa Hanbury - Imperia - Historischer Reiseführer

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Villa Hanbury

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Hanbury Gärten
und ihre deutsche Herkunft




(Fotos noch in Bearbeitung)

Die Brüder Thomas und Daniel Hanbury kauften im Jahre 1867 das „Orengo“-Grundstück am Capo Mortola, unweit von Ventimiglia.
Thomas, der 1832 in Chapham Common, einer kleinen Stadt in der Nähe von London geboren wurde, genoss eine strenge Erziehung und musste, nach Beendigung seiner Schul- und Studienzeit, im Alter von 17 Jahren, in einer Speditionsfirma „Thompson and son“ eine Ausbildung zum Import/Exportkaufmann machen. Er spezialisierte sich auf die Einfuhr von Kolonialprodukten und wurde, aufgrund seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten zur Niederlassung in Shanghai entsandt. Im Alter von 21 Jahren entschloss er sich, seine eigene Import/Export Firma zu gründen und wurde Inhaber der „Hanbury and Company“. Er machte sich sehr schnell einen großen Namen in der britischen Gesellschaft. Durch die Einfuhr von edlen Seidenstoffen, feinsten exotischem Tee sowie exquisiten Raritäten, wurde er zu einem der angesehensten Persönlichkeiten der Gesellschaft.

Im Jahre 1867, mit nur 35 Jahren, war Thomas soweit, seine Träume zu verwirklichen. Er suchte in Europa nach einem geeigneten Ort, um das Flair der exotischen Länder hier her zu bringen. Exotische Pflanzen sollten im Freien installiert werden, aber auch die traditionelle Lebensqualität Englands sollte zu finden sein. Ein Feriendomizil für die gesamte Familie Hanbury wurde gesucht.
Auf ihren unzähligen Schiffsreisen kamen die Brüder Thomas und Daniel des Öfteren auch an der Küste Liguriens entlang. Sie waren fasziniert von der Landzunge zwischen Ventimiglia und Menton. Eines Tages legten sie mit ihrer Jacht am Capo Mortola an und verhandelten mit dem Besitzer „Nico Orengo“ und konnten das Areal mit etwa 18 ha Land erwerben.

Der blaue Himmel, die Farbenpracht der heimischen, wild gewachsenen Blumen und Pflanzen sowie der berauschende Duft der Zitrusgewächse, all das erinnerte die Hanbury‘s an die Farbenpracht der edlen Seidenstoffe aus dem Orient. Hier an diesem Ort wollten sie nun alles vereinen. Es fehlten nur noch die exotischen Pflanzen, die sie auf ihren unzähligen Reisen in ferne Länder entdeckt hatten.

Auch die Lage am „Capo Mortola“ war ideal für die Visionen von den Brüdern. Der Boden war wie geschaffen für das Bepflanzen exotischer Besonderheiten. Der Kalksteinfelsen der Balzi Rossi, die Meeresbrise und das Klima bildeten ideale Voraussetzungen. Das steile Vorgebirge, das außergewöhnliche Licht, die bereits von Orengo installierten Steinterrassen mit den Olivenhainen und Orangenbäumen, aber auch die Tatsache, dass sich direkt, inmitten des Grundstücks, die historische „Via Lulia Augusta“ befand, faszinierte Thomas. Es war ein Stück Geschichte, was er erworben hatte und er ließ eine Tafel installieren, die hervorheben sollte, welche wichtigen Persönlichkeiten bereits durch „seine“ Gärten geschritten waren. Nur als Beispiel dieser Namensliste sei zu erwähnen:
„Innocenzo IV.“ der Papst von 1243 bis 1254, der bei seiner Flucht von Rom über Genua nach Lyon, im Sommer 1244 hier durch kam.
„Caterina di Siena“, die seit dem Jahre 1939 Italiens Schutzpatronin ist, soll im Jahre 1376, bei ihrer Reise nach Avignon, bei der sie Papst Gregor XI. dazu bewegt haben soll, wieder nach Rom zurück zu kehren, auch diesen Weg, mitten durch die Hanbury-Gärten genommen zu haben.
„Nicolò Macchiavelli“, einer der bedeutendsten Staatsphilosophen der Neuzeit („Il Principe – Der Fürst“). Er wurde im Sommer 1500 unter der Führung des Patriziers „Francesco della Casa“ zu Ludwig XII. an den französischen Hof geschickt. Jedoch soll Macchiavelli aus dieser Reise gelernt haben, dass Menschen, je mehr Macht sie erhalten, umso mehr von Ehrgeiz „avarizia“ beherrscht würden. Diese Reise sowie die nachfolgenden Gespräche mit „Cesare Borgia“ veranlasste Macchiavelli, seine Gedanken zu Papier zu bringen und so entstand sein weltberühmtes Hauptwerk „Der Fürst“.
Aber viele weitere Persönlichkeiten mussten auf ihren Reisen von und nach Frankreich diesen Weg durch die Hanbury-Gärten nehmen.

Napoleon veranlasste im Jahre 1808 den Bau einer neuen Straße, die dann oberhalb des Grundstücks angelegt wurde, der heutigen „SS1 Via Aurelia“, nicht zu verwechseln mit der „SS1 Corso Europa“, die dank eines Tunnels unter den Gärten hindurch führt.

Die ältesten Dokumente über dieses Anwesen stammen aus dem Jahre 1511. Familie „Lantieri“ übergab diese Aufzeichnungen 1620 an die „Marchesi Orengo di Ventimiglia“, den rechtmäßigen Besitzern und diese übergaben alle, bis dahin angesammelten Dokumente im Jahre 1876 an den neuen Besitzer, den Hanbury’s.

Thomas Hanbury hatte erfahren, dass es einen deutschen Gartenarchitekten gab, der sich mit exotischen Pflanzen und deren intensive Pflege sehr gut auskannte. Und so suchte er den Kontakt zu dem, damals 22 jährigen Ludwig Winter. Winter wurde 1846 in Heidelberg geboren. Seine Familie zog später nach Leipzig, wo er dann Botanik studierte und als Gärtner in Erfurt arbeitete, bevor er dann an der Gärtnerlehranstalt Potsdam sein Botanik Studium abschloss und zum Obergärtner an den Botanischen Gärten an der Uni Bonn wurde. 1867 zog er nach Paris und wirkte tatkräftig an der Weltausstellung mit. Auch der „Jardin des Tuileries“ trägt die Handschrift von Ludwig Winter. Nach der Weltausstellung von Paris kam er als Obergärtner an den Schlosspark beim Louvre. Die größte Parkanlage der Stadt bot Winter unendliche Möglichkeiten, sein fachliches Geschick unter Beweis zu stellen.

Thomas Hanbury konnte Winter jedoch davon überzeugen, ein außergewöhnliches Projekt in seinen Gärten zu starten. Er überließ Winter, als Botanik-Experten, fast freie Hand. Über fünf Jahre widmete sich Ludwig Winter diesem Projekt. Er ließ zahlreiche unterschiedliche Pflanzen aus aller Welt importieren. Geschützt durch die Ligurischen Alpen, war es eine klimatisch ideale Lage für Olivenhaine, Südfrüchte, Weinreben und den immergrünen Gebüsch Formationen, den sogenannten „Macchie“. Winter hatte in diesen Jahren über 600 neue Pflanzenarten gesetzt und nach bestimmten Kriterien unterteilt.
Das Anlegen der verschiedenen Gärten war jedoch auch mit großen architektonischen Problemen behaftet, denn das Erdreich, durch die Felsformation, musste erst mal bearbeitet werden um neue aber auch die alten Terrassen nach seinen Vorstellungen zu bearbeiten und neu zu installieren. Auch die Bodenbeschaffenheit an den Hängen, die Verteilung der Sonnenbestrahlung, Zuordnung der Geländehöhen zu den Pflanzen sowie die atmosphärische Zirkulation mussten bei der Planung berücksichtigt werden. Die aus allen Herren Länder herbei transportierten Pflanzen sollten so typisch wie möglich, ihren alten, neuen Platz finden.

Auch beim Design betrieb Winter großen Aufwand. Inspiriert durch die, bereits in Paris, bearbeiteten Gärten aber auch in Bonn, legte er großen Wert auf akkurate Installierung des Hydraulik- und Bewässerungssystems sowie dem Bodendüngungssystems um den Pflanzen ideale Bedingungen zu geben.

Weiteres präzises Augenmerk waren die Saatgutsammlung, Pflege der Baumschule bis hin zum Fachpersonal und der daraus resultierenden Verwaltung. Gemäß den Aufzeichnungen war Winter insgesamt bis 1875 für diesen Botanischen Avantgarde Garten verantwortlich.

Thomas Hanbury schrieb über ihn:
„Mio giardino fu realizzato da Ludovico Winter dalla pietra al fiore!“
“Mein Garten wurde von Ludwig Winter vom Stein zur Blume verwandelt!”

Inmitten der Gärten stand auch noch die alte Villa Orengo, die ab dem Jahre 1876 vom britischen Architekt „Arthur Foster“ renoviert und restauriert wurde. Ursprünglich stand hier nur ein antiker Turm, um den man ab dem 17. Jahrhundert verschiedene Gebäude anbaute. Zur Meeresseite hin entstanden die Villa Orengo, daneben ein einstöckiges Gebäude und noch einen direkten Anbau auf der Rückseite des Turmes.
Zu Beginn der Renovierungsarbeiten mussten zunächst die Dächer komplett neu angelegt werden. Die Innenräume waren stark in Mitleidenschaft gezogen, denn bis dato hatten hier die Bauern sowohl ihren Schlafplatz als auch einen Unterstand für ihre Werkzeuge und Gerätschaften gefunden.

Innerhalb eines Jahrzehnts hatte der Architekt Foster wesentliche Veränderungen an der ursprünglichen Bausubstanz vorgenommen. Zur Meeresseite wurde eine große Loggia installiert und nach Osten hin noch erweitert. Zwei neue Seitenflügel wurden als Küchen, Billardraum und Arbeitszi8mmer konzipiert und der Turm bekam ein weiteres Stockwerk hinzu. Auch die, mit Säulen und Bögen verzierte, südliche Loggia ist ein Entwurf von Foster. An der Nordseite wurde ein Portikus errichtet und ein Mosaik, das den Seefahrer Marco Polo darstellen soll, installiert.
Inzwischen war auch der Garten mit kleinen Tempeln, Wasserspielen und Brunnen ergänzt worden, was insgesamt noch mehr an exotische Landschaften erinnerte.

Doch zurück zu den Gärten. Bedingt durch die unterschiedlichen Licht- und Windeinwirkungen sowie der unterschiedlichen Steigungs- und Feuchtigkeitsbedingungen, musste analysiert werden, welcher Ort die besten Bedingungen für das Wachstum der Pflanze hatte. So beschloss Winter, zwischen dem Meer und der alten Römerstraße, direkt neben dem alten, intakten Olivenhain noch einen Zitronenhain sowie Rosengarten und daneben noch den Gemüsegarten anzulegen. Es war der ideale Platz, denn durch die alten „fasce“, den Steinmauern, waren die Pflanzen vor dem Meer und somit dem Salz geschützt.
Oberhalb der alten Römerstraße wurde ein australischer Wald gepflanzt und unterhalb der Villa noch weitere Zitrusbäume.

Ludwig Winter hatte eine beachtliche Sammlung von Saatgut archiviert, die örtlichen Mitarbeiter waren geschult und sein Wissen an die Gärtner weitergegeben, so dass er sich dann 1874 zurückzog. Die Verwaltung sowie das botanische Management gingen an die Deutschen Botaniker Kurt Dinter, Gustav Kronenmayer sowie Alwin Berger. Ludwig Winter hatte bereits neue Projekte in Aussicht. Gemeinsam mit seinem Freund Hermann Nestel verwirklichte er noch viele Konzepte entlang der Ligurischen Riviera.

Thomas Hanbury hatte von seinen Reisen nach Südafrika, Mexiko, Australien und China tropische und subtropische Samen und Stecklinge mitgebracht, die man versuchte, hier zu installieren. Die Sammlung und Erhaltung der exotischen Pflanzen war inzwischen zu einer Institution geworden, so dass die Hanbury-Gärten in kurzer Zeit zu einem internationalen Treffpunkt für Experten wurden. Man zählte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr als 3.500 Arten, wie es Kronenmayer akribisch in seiner Dokumentation festhielt. Berger konnte diese Zahl noch toppen, denn er hatte inzwischen 5.800 Arten katalogisiert.

Hanbury wollte auch ein Naturschutzgebiet anlegen, um die Küstenlandschaft so zu gestalten, wie sie ursprünglich mal war, bevor diese Abschnitte landwirtschaftlich genutzt wurden. Der Versuch war da, in den abgelegenen Teilen des Anwesens begann in kürzester Zeit die spontane Vegetation, es schien, dass sich das Landstück erholte. Doch die Bauern im Umland, die sogar ihre Ziegen jetzt auf diese Weiden brachten, machten diesen, gut gemeinten, Versuch von Hanbury zunichte.

In den letzten Lebensjahren betonte Thomas Hanbury immer wieder, dass es seine Aufgabe gewesen sei, Pflanzen zu schützen und die Liebe zur Natur zu fordern. Am 09. Februar 1907 verstarb Thomas Hanbury und hinterließ einen wahren Schatz – Die Botanischen Gärten von Hanbury.

Der älteste Sohn Cecil sowie seine Schwiegertochter Dorothy setzten die Arbeit von Thomas Hanbury fort. Sie finanzierten mehrere Expeditionen nach Südafrika, Mexiko und Chile, damit weitere botanische Exponate importiert werden konnten. Nach Cecils Tod setzte Dorothy die Arbeit alleine fort und verwirklichte noch das Projekt im östlichen Teil des Gartens „Viale Vista Nuova“.
Sie ließ Blumenbeete, Mandelbäume und weitere Streuobstgewächse pflanzen. Unterhalb der Villa wurde eine Böschung angelegt und ein „Giardino dei Profumi“ angelegt, eine Ansammlung von Aromapflanzen, wie man sie auch heute noch bestaunen und riechen kann.
Es wurden unterhalb der Villa auch noch thematische Gärten angelegt, die jeweils von Mauern und von, in Bögen geschnittenen Zypressen, unterteilt wurden.

Doch leider ist auch dies eine traurige Tatsache. Was einst ein junger deutscher Landschaftsarchitekt mühevoll erschaffen und gepflegt hatte, wurde von Deutschen wieder zerstört. Die Kriegsereignisse machten auch nicht vor diesem kulturellen Erbe halt. 1940 wurde das Anwesen konfisziert und 1944 durch die deutsche Besatzung zerstört und geplündert.

Doch Dorothy Hanbury gab nicht auf. Weit nach Kriegsende, im Jahre 1959 wandte sie sich an den 9. Internationalen Botanischen Kongress in Montreal. Diese sollen sie dabei unterstützen, dass dieses Gebiet nicht weiteren Bauspekulationen zum Opfer fallen sollte. Die italienische Regierung wurde hinzugezogen um zu entscheiden, dass Mortola weiterhin als eine Art „Staatlicher Botanischer Garten“ bestehen kann.

Im Jahre 1961 wurde das Hanbury Anwesen an den italienischen Staat übertragen und das Management dem „Istituto di Studi Liguri di Bordighera“ übertragen. Danach wurde es dem „Soprintendenza per i Beni Ambientali ed Architettonici“ unterstellt und ab 1983 der Universität von Genua zugeteilt.
Dank der, bis heute andauernden, unermüdlichen Intensität der Universität von Genua konnte vieles rekonstruiert, restauriert und renoviert werden. Der Botanische Garten konnte wieder zur Ursprünglichkeit gebracht werden. Dies lag auch an dem unermüdlichen Einsatz von 25 Mitarbeitern, Gärtner, der Verwaltung und den Technikern. Diese Mannschaft gewährleistet sowohl das Aussehen als auch die Funktionalität des Anwesens aber auch das naturwissenschaftliche Labor der Universität setzt sich hier mit vollem Einsatz ein.

Durch die Eintrittsgelder, die jedoch bescheiden ausfallen, versucht man auch einen geringen Teil der Kosten zu decken. Schulklassen aus ganz Italien und dem angrenzenden Südfrankreich besuchen gerne diese Anlage. Für die Schüler aber auch allen interessierten Besuchern werden auch spezielle Führungen und Programme angeboten.

Heute erstrecken sich über das gesamte Areal neun Gärten sowie neun mediterrane Wälder. Der Besucher reist von Land zu Land. Kaum aus den Japanischen Gärten heraus befindet man sich inmitten des australischen Waldes um dann im Parfumgarten, umgeben von Rosen und wohl riechenden Pflanzen, ein Duftspektakel zu erleben. Der Weg, gesäumt durch Aloe und Agaven, führt zu allen Arten von Zitrusfrüchten und tropischen Obstpflanzen. Kunterbunte Blumen, einzigartige Pflanzen aus aller Welt, ein lebendiges internationales Landschaftsmuseum an der Ligurischen Küste – Die Hanbury-Gärten.




 
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